Das große indische Thali und seine Philosophie

Das große indische Thali und seine Philosophie

Jede indische Region hat ihr eigenes Thali, das von den Einheimischen geliebt wird. Das Konzept des Thali kennt man in der indischen Küche seit vielen Jahrhunderten. Dabei heißt Thali eigentlich so viel wie „Teller“. Was wir auf dem Thali finden, bietet uns als Essenden ein Gleichgewicht von ausgewogener Ernährung, gutem Geschmack und einem Gefühl der Üppigkeit, um – gemäß dem alten indischen Glauben- Körper, Geist und Seele in gleichem Maße zu nähren.

Wenn das „große indische Thali“ auf eines abzielt, dann ist es die Vollständigkeit – es kombiniert verschiedene Aspekte der Speisen und der Erfahrung des Essens zu einem harmonischen Ganzen und lässt nichts mehr zu wünschen übrig. Ein typisch indisches Thali, unabhängig davon, aus welcher Region es stammt, besteht aus Dal oder Hülsenfrüchten (Eiweiß), Reis und Rotis – in der Pfanne gebackenen, frischen Broten- (Kohlenhydrate), 2-3 verschiedenen Gemüsegerichten (Mineralien, Vitamine), von denen mindestens eines eher flüssiger Konsistenz ist, Joghurt oder Buttermilch (kühlend/neutralisierend), Pickles (Geschmack), Salat (Ballaststoffe), Süßem und Papad (knusprig).

Nach der indischen Ernährungsphilosophie werden sechs Geschmacksrichtungen unterschieden: süß, sauer, salzig, bitter, scharf und adstringierend. Die Idee des Thalis ist es, den Körper mit allem zu versorgen, was er an Nährstoffen braucht und dabei all diese verschiedenen Geschmackselemente zu befriedigen. Außerdem werden auch bestimmte Ideen berücksichtigt, wie z.B. der Gedanke, dass man nicht über den Appetit hinaus essen sollte oder keine Lebensmittel verschwendet werden sollen. Denn bei einem Thali wird alles in eher kleinen Portionen serviert, was uns natürlich nicht davon abhält, einen Nachschlag von unserem Lieblings-Curry zu bestellen.

Das Thali spricht mit deinen vielfältigen Komponenten auch alle unsere fünf Sinne an – Farben (Sehen), Geschmack und Textur (Schmecken), Aroma (Riechen) und das knisternde Geräusch knuspriger Elemente (Hören). Traditionell wird ein Thali auf einem Bananenblatt serviert – auch dies entspricht dem alten philosophischen Mantra, nachhaltig und im Einklang mit der Natur zu leben. In der heutigen Zeit und je nach Region wird es jedoch auch auf Messing-, Kupfer-, Stahl- und sogar Plastiktellern serviert. Außerdem sind die Thalis größer, prunkvoller und teurer geworden, so dass der Wert der Einfachheit, der ihnen früher innewohnte, zum großen Teil verloren gegangen ist.

Im Gegensatz zum europäischen Konzept der aufeinanderfolgenden Gänge einer Mahlzeit bietet das indische Thali alle verschiedenen Geschmäcker und Aromen auf einmal in Raum und Zeit. Und in der Tat ist der beste Weg, ein Thali zu genießen, sein eigenes Sein in diese Raum-Zeit einzutauchen und sich der Prozession anzuschließen, indem man seine Hände (Tasten) vollständig in das Essen eintaucht, es fühlt, es genießt und es zu einem Teil seines Seins macht. Abgesehen von der reinen Zweckmäßigkeit, die Hände zu benutzen, wird es angesichts der Natur des Essens auch als ein Akt der Ehrerbietung und Dankbarkeit für das Essen und alles, was dazu beigetragen hat, es uns zu bringen, gesehen.

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Kategorisiert in Esskultur

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